Jahrtausendelang streifte der Mensch durch die Wälder, ernährte sich von dem, was er fand, und war der Natur ganz nah. Und auch heute noch fühlen sich die Menschen vom Wald angezogen: 40
Millionen Deutsche besuchen ihn alle zwei Wochen oder öfter, um spazieren zu gehen, Rad zu fahren oder anderen Hobbys nachzugehen. Manch einer versucht sich vielleicht auch im sogenannten
„Waldbaden“, das aus Japan kommt.
Was ist Waldbaden?
Beim Waldbaden geht es darum, auf intensive Art und Weise mit dem Wald auf Tuchfühlung zu gehen – nicht zu verwechseln mit der „Waldtherapie“, die sich zwar ähnlicher Methoden bedienen kann, aber
eher auf die Bedürfnisse von Menschen mit Lungenkrankheiten, orthopädischen oder psychosomatischen Beschwerden eingeht und von Ärzten angeboten wird.
Waldbaden wirkt
„Shinrin Yoku“ bedeutet auf Deutsch so viel wie „ein Bad in der Atmosphäre des Waldes nehmen“. In Japan ist Waldbaden bereits ein fester Bestandteil der Gesundheitsvorsorge, denn viele Studien
konnten dessen Wirksamkeit belegen. Wer sich im Wald aufhält, so zeigten Untersuchungen, senkt seinen Blutdruck und reduziert Stresshormone. Vielleicht liegt das an der Ruhe, die der Wald
ausstrahlt, oder am besonderen Klima, das der Wald erzeugt.
Das sogenannte Waldinnenklima ist durch einige Besonderheiten gekennzeichnet: Die Kronen der Bäume halten die Sonnenstrahlen ab und die Bäume verdunsten Wasser, was zu kühleren Temperaturen und
einer höheren Luftfeuchtigkeit führt. Ein großer Baum kann an einem warmen Tag 200 Liter Wasser verdunsten! Und nebenbei jede Menge Sauerstoff und ätherische Öle produzieren.
Phytonzide wirken auf den Menschen ausgleichend und werden auch in der Naturheilkunde eingesetzt. Das Grün der Bäume soll laut Farbpsychologie außerdem die Nerven beruhigen und das Immunsystem
stimulieren. Aber Bäume haben noch eine ganz andere Wirkung auf den Menschen …
Bäume inspirieren
Unseren Vorfahren waren Bäume heilig. Sie verehrten vor allem große, uralte Eichen, und brachten dort ihre Opfer dar. Heute können wir zwar kaum ermessen, wie tief die Beziehung der Kelten und
Germanen zu ihren heiligen Hainen war, aber eine Inspirationsquelle sind Bäume immer noch. Sie bewegen etwas im Menschen und bringen seine Seele zum Schwingen.
„Auch streift der Mensch in den Wäldern seine Jahre ab wie die Schlange ihre Haut und ist, in welchem Jahre seines Lebens er auch stehen mag, doch immer ein Kind“, so Ralph Waldo Emerson, ein
amerikanischer Philosoph aus dem 19. Jahrhundert. Im Wald lässt man den Alltag hinter sich, legt seine Rollen ab und ist ganz Mensch, ganz Kind, spielerisch und fröhlich.
Waldbaden für Zuhause
Natürlich gibt es Kurse, in denen man das Waldbaden erlernen kann, aber man kann es auch alleine im heimischen Wald ausprobieren. Zunächst die wichtigste Regel: Es gibt keine Regeln!
Beim Waldbaden geht es darum, seine Sinne zu öffnen, ins Spüren zu kommen und mehr wahrzunehmen. Deshalb gibt es keinen 10-Punkte-Plan, den man einhalten muss, keine Tabus und keine
Verpflichtungen. Was man wahrnimmt, das ist da, das gilt und darf erforscht werden.
Aber natürlich gibt es ein paar Tipps, die es leichter machen, sich auf den Wald einzulassen. Nehmen Sie sich Zeit, um zu entschleunigen und sich ganz ohne Zeitdruck bewegen zu können. Machen Sie
eine Pause, wenn Ihnen danach ist, und nehmen Sie die Atmosphäre des Waldes ganz in sich auf. Fühlen Sie den sanften Luftzug auf Ihrer Haut, hören Sie den Vögeln zu, streichen Sie über raue
Rinden oder riechen Sie die duftenden Tannennadeln.
Sie können auch eine Meditation beginnen. Konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem oder machen Sie aus Ihrem Spaziergang eine Gehmeditation, indem Sie jede Körperbewegung ganz bewusst wahrnehmen.
Sie können sich auch einer Visualisierung widmen und sich vorstellen, im Boden Wurzeln zu schlagen und sich mit den Bäumen zu verbinden. Folgen Sie einfach Ihrer Intuition und tun Sie das, was in
diesem Moment stimmig für Sie ist.
Vielleicht spüren Sie mit der Zeit, dass der Wald immer noch ein Zuhause für den Menschen ist und dass seine Wurzeln unsere Wurzeln sind.